Als Stil des langsamen und beharrlichen Denkens umfasst Kritisches Denken (KD) eine Vielzahl von Teilkompetenzen. Wie sich diese im Fach integriert fördern lassen, zeigen Beispiele aus dem Deutschunterricht, die neben literarischen Klassikern auch aktuelle Debatten aufgreifen.
von Markus Beutler und Adrian Mettauer
In diesem Beitrag wollen wir aufzeigen, dass KD auch in der kleinen Form im Fachunterricht gefördert werden kann. Gerade das Fach Deutsch eignet sich mit seinen fachlichen sowie methodischen Kompetenzen, Haltungen und Kompetenzen, KD zu bilden. Voraussetzung hierfür ist ein breites Verständnis von KD als Denkstil. Wenn wir mit Cursio und Jahn unter KD mehr «als wissenschaftliches Denken nach Vorbild der Naturwissenschaften oder als rein logisches Denken» (Cursio und Jahn 2021, S. 143) verstehen, eröffnen sich didaktische Zugänge zur Förderung einzelner Kompetenzen und Haltungen.
«Aktive, beharrliche und sorgfältige Prüfung einer Überzeugung oder vermuteten Form von Wissen im Lichte der Gründe, die diese stützen, und der weiteren Schlussfolgerungen, die sie nahelegt»
Um Lernenden im 9. und 10. Schuljahr dieses breite Verständnis von KD einprägsam zu vermitteln, haben wir eine Darstellung gewählt, die wir Tempel der Athena nennen.
Als Göttin der Weisheit und der Strategie und als Kopfgeburt des Zeus steht Athena u. E. sinnbildlich für das KD. In ihrem Tempel wird kultiviert, was der amerikanische Philosoph John Dewey in seiner klassischen Definition als reflektierendes Denken beschreibt: die «aktive, beharrliche und sorgfältige Prüfung einer Überzeugung oder vermuteten Form von Wissen im Lichte der Gründe, die diese stützen, und der weiteren Schlussfolgerungen, die sie nahelegt» (Pfister 2020, S. 14). Der Tempel steht auf einem doppelten Fundament. Grundlage bilden Haltungen: z.B. geistige Offenheit und Neugier, Mut, sicher geglaubte Überzeugungen in Frage zu stellen oder die Bereitschaft, sich durch genaues Lesen aktiv mit einem Thema auseinanderzusetzen, um sich neues Wissen anzueignen. Darüber finden sich spezifische Kenntnisse: z.B. grundlegendes Wissen über die Sache, worüber man kritisch nachdenken will, sowie Wissen darüber, was Wissen, ein Beleg oder ein Argument ist, oder welche die häufigsten logischen Fehlschlüsse und kognitiven Verzerrungen sind. Der Tempel selbst besteht aus drei Bereichen, die eine kritisch denkende Person – oft mehrmals – durchschreiten muss.
Im ersten Schritt wird jenes Wissen neu erarbeitet, das notwendig ist, um die Überzeugung selbst und deren Kontext umfassend zu verstehen.
Im zweiten Schritt wird die Überzeugung geprüft: Ist das Argument stark oder schwach? Ist die Argumentation nachvollziehbar und vollständig? Welche Perspektive liegt ihr zugrunde? Was wird ausgeblendet oder gar unterschlagen, was hervorgehoben und überbetont? Genügen die Gründe, die diese Überzeugung stützen, oder handelt es sich um pseudowissenschaftliche Aussagen? Liegen logische Fehlschlüsse und Scheinargumente vor? Welche kognitiven Verzerrungen trüben das Bild?
Im dritten Schritt wird die Überzeugung ganzheitlich und im Vergleich zu anderen eingeordnet, bewertet und gewichtet. Alle Aussagen, die im Zusammenhang mit der Überzeugung gemacht werden, sollen zu einem stimmigen Gesamtbild zusammengefügt, die Schlussfolgerungen, die die Überzeugung nahelegt, nach ethischen Gesichtspunkten beurteilt werden. Zudem ist zu reflektieren, welche Konsequenzen für das eigene Handeln und die persönliche Haltung abgeleitet werden sollen.
Die Förderung nach diesem Modell wirkt in zweifacher Hinsicht: Zum einen hat, wer diese drei Schritte absolviert, kritisch gedacht, ist in der Sache weitergekommen, sieht vielleicht klarer oder wird sich zumindest bewusst, dass die Sache komplex und ihr nicht mit einfachen Lösungen beizukommen ist. Zum anderen wird mit jedem Durchgang das Fundament des eigenen Denk-Gebäudes gestärkt: Haltungen und Kenntnisse festigen sich und bei nächster Gelegenheit kann langsamer und kritischer gedacht werden.
In der Diskussion führt der Schüler aus, Kafka sei eben oft auf Reisen gewesen und habe entsprechend oft in Zügen geschrieben.
Ist die Klasse vertraut mit dem KD-Modell des Athena-Tempels, können jene Teilkompetenzen, die den drei Schritten beigeordnet sind, einzeln im Fachunterricht eingeübt werden. Und Lernprozesse, wie sie im Fachunterricht stattfinden, können als Teilprozesse des KD beschrieben werden.
Eine Grundaufgabe auch des Deutschunterrichts ist die Informationssuche im Internet. So erhält ein Schüler im 10. Schuljahr zum Beispiel den Auftrag, die genauen Umstände zu recherchieren, unter welchen Franz Kafka seine Erzählung ‘Das Urteil’ schrieb. In einer mündlichen Präsentation trägt er der Klasse seine Ergebnisse vor. Was im ersten Schritt des KD wichtig ist, kommt ebenso hier zum Tragen: Zuerst muss der Schüler sein Vorwissen klären und was er beim Publikum als bekannt voraussetzen sollte (weil die Klasse beispielsweise andere Kurztexte von Kafka kennt). Er muss seine Wissenslücken erkennen und die richtigen Fragen stellen, um diese zu schliessen. Der Schüler wird idealiter die Recherchen sorgfältig durchführen, die gefundenen Informationen bewerten und mit seinem Vorwissen zu neuem Wissen amalgamieren. Er leistet gute Arbeit, wenn er antizipiert, worin die fachliche Absicht des Auftrags besteht. So integriert er seinen Unterrichtsbeitrag in den unterrichtlichen Kontext.
Im vorliegenden Fall allerdings entschied sich der Schüler dazu, den Auftrag mit minimalem Aufwand zu erledigen: Er referiert, Kafka habe ‘Das Urteil’ «in einem Zug geschrieben». In der anschliessenden Diskussion führt er aus, Kafka sei eben oft auf Reisen gewesen und habe entsprechend oft in Zügen geschrieben. Das Beispiel zeigt, wie fatal Irrtümer sein können, wenn im Internet Informationen schnell und ohne Kontextbewusstsein zusammengesucht und zu Erkenntnis geadelt werden. Googelt man zu Kafkas Erzählung ‘Das Urteil’, kann einem die Kollokation ‘in einem Zug’ schon ins Auge springen. Sie stammt nämlich aus dem berühmten Tagebucheintrag vom 23.9.1912, in dem der Autor den Entstehungsprozess des Textes festhält, den er «von zehn Uhr abends bis sechs Uhr früh in einem Zug geschrieben» habe. Ist das Zitat einmal aus dem Kontext gerissen, bleibt die modale Semantik zwangsläufig unentdeckt. Wichtig scheint deshalb, mit den Lernenden das bewusste Umschalten vom überfliegenden zum verstehenden Lesen einzuüben und recherchiertes Wissen diskursiv validieren zu lassen.
Der Literaturunterricht bietet vielfältige Möglichkeiten, Intention und Bedeutung von Begriffen, Aussagen oder Handlungen im Kontext zu klären. So lässt sich am Beispiel von Kleists ‘Die Verlobung in St. Domingo’, in dem es um einen «fürchterliche[n] alte[n]Neger, namens Congo Hoango» geht, folgende Fragen diskutieren: Handelt es sich bei dieser Novelle um einen rassistischen Text im heutigen Sinne? Muss diese Bewertung bei einer historisch-kritischen Betrachtung revidiert werden? Am Ende der Novelle verzichtet der ehemalige Sklave Congo Hoango aus väterlicher Liebe zu seinem Sohn auf eine Gewalteskalation, obwohl Sklaven im Sklavenhalterdiskurs des frühen 19. Jahrhunderts zu keiner emotionalen Bindung mit ihren Kindern fähig galten. Da die Erzählinstanz beim Vermitteln der Geschichte ihre epistemische Autorität nicht ausschöpft und vieles offenbleibt, lässt sich beispielsweise auch fragen, welchen genauen Kontext von Handlung und Figurenmotivierung die Lesenden aktiv rekonstruieren müssen, um die Handlung Gustavs – er erschiesst seine Retterin Toni scheinbar im Affekt – erklärbar zu machen. Literaturanalytische Fragen dieser Art gehören zum ersten Schritt des KD.
Die Schriftlichkeit hat im Schulzimmer noch immer einen prekären Status, auch im Deutschunterricht. So unterbleibt nicht nur die angemessene Schreibbildung, es leidet auch die Förderung von Kompetenzen des ersten Schrittes des KD: Sachverhalte und Gegenstände verstehen und verständlich machen sowie neues Wissen (v)erarbeiten. Erst wenn im Sinne des sprachbewussten Fachunterrichts (vgl. dazu Tajmel/Hägi-Mead 2017) regelmässig kurze und beiläufige Anlässe zum Schreiben geschaffen und die nötigen Hilfestellungen (z.B. Wort- und Phrasensammlungen) gegeben werden, ist die Festigung von sorgfältigen Schreib- und Denkroutinen möglich. Die Verschriftlichung neuen Wissens, die Wahl eines bestimmten Wortes und die Entscheidung gegen andere, die Formung der Aussage in eine passende Syntax, all das verlangsamt den Prozess des Denkens und ermöglicht erst eine vertiefte Auseinandersetzung mit neuem Wissen. Die Versprachlichung von Lerninhalten erfordert eine Übersetzung in die eigene Sprache. Dies ermöglicht und verlangt eine Verankerung des neuen Wissens im eigenen Denken.
Wenn wir im 9. Schuljahr Bildbeschreibungen und Zusammenfassungen üben lassen, so bietet dies nicht nur die Chance zur Bildung einer Schreibroutine, es ist auch eine Schulung des KD: die Wahl der präzisen Bezeichnung, die genaue Führung der Leserin durch die Kohärenz der Beschreibung, eine Führung, die nur möglich ist, wenn der Schreibende sich in die Lesende hineinversetzt (Perspektivenwechsel); die klare Unterscheidung zwischen Beschreibung und Interpretation schliesslich, die auch für die Analyse von Texten grundlegend ist. Erhalten Lernende von Mitlernenden, die das beschriebene Bild bzw. den zusammengefassten Text nicht kennen, eine Rückmeldung, so werden begründete Alternativen der Beschreibung verhandelt und wird so das offene Denken als Teil des KD geübt. Gelingt die Schreibförderung sprachbewusst, bildet sie nicht nur das Schreiben, sondern auch das Denken und Verstehen. Nebst learn to write ist dann auchwrite to learn möglich. Wenn die Lernenden im Unterricht erfahren, dass ihnen das Schreiben (und Sprechen) beim Denken, Verstehen und Einprägen helfen kann, erleben sie Funktionen des Schreibens, die KI ihnen nicht abnehmen kann.
Insbesondere die Sozialen Medien konfrontieren die Lernenden mit einer Art des Gedankenaustausches, für den sie noch keine Begriffe haben.
Nutzen Lernende das Internet als Wissensquelle, machen sie die Erfahrung, dass im Netz ein «Überangebot von Informationen einem Mangel an Orientierung gegenübersteht» (Cursio und Jahn 2021, S. 6f.) und ein regelrechter «Krieg um Meinungen» herrscht. Die gute, verlässliche Information zur Sache steht direkt neben der beliebigen oder tendenziösen und diese neben ideologisch gefärbten oder falschen. Insbesondere die Sozialen Medien konfrontieren die Lernenden mit einer Art des Gedankenaustausches, für den sie noch keine Begriffe haben. So hilft es ihnen, wenn sie mit einfachen Beispielen erfahren, was logische Fehlschlüsse und kognitive Verzerrungen sind (für Beispiele vgl. Forum für kritisches Denken 2022).
Es ist ertragreich, mit der Klasse einen Zeitungsartikel zu einem aktuellen und kontroversen Thema zu besprechen und anschliessend die Online-Kommentare nach Denkfehlern zu durchforsten. Für unsere Unterrichtspraxisim 10. Schuljahr erwiesen sich z.B. die Kommentare zu einem Zeitschriftenartikel über Krankenkassenprämien (vgl. Birrer 2023) als besonders erhellend: Politiker werden persönlich angegriffen (ad hominem-Argument), deren Amtsdauer wird mit der Verschlechterung der Wirtschaftslage ursächlich in Verbindung gebracht (cum hoc ergo propter hoc), der Regierung wird in diesem Fall Unfähigkeit vorgeworfen, die aus anderen Fällen ja hinlänglich bekannt sei (Kompositionsargument), früher habe der Staat noch funktioniert (Argument der Tradition), man habe schon immer gewusst, dass die Pharmaindustrie korrupt sei (Bestätigungsfehler) oder man erkenne die wahren Ursachen, seit man sich mit der Materie eingehend auseinandergesetzt habe (Dunning-Kruger-Effekt). Die Ergebnisse einer solchen Analyse schärfen den prüfenden Blick auf die Argumentation des Ausgangstextes und lassen sich ideal mit Schreibaufträgen weiterverarbeiten.
Debattieren ist an Schulen der Sekundarstufe 1 und 2 beliebt, bei den Lehrpersonen ebenso wie bei den Lernenden. In der Hitze der oft im Wettbewerbsformat geführten Debatte werden der sorgfältige Umgang mit Fakten und Argumenten sowie die Bereitschaft zur Übernahme anderer Perspektiven als Elemente des KD zugunsten der rhetorisch erwirkten Selbstbehauptung nachrangig. Als ergiebiger für die Förderung des umsichtigen Abwägens unterschiedlicher Argumente und der ganzheitlichen Betrachtung von Sachverhalten, wie es der dritte Bereich des KD-Tempels vorsieht, erweist sich das Positionierungsspiel: Die Lernenden positionieren sich dabei zu unterschiedlichen Entscheidungsfragen eines Themenbereichs rechts oder links einer gedachten Linie im Klassenzimmer.
Diese Spielform erprobten die Autoren im Deutschunterricht mit zwei Gymnasialklassen des 9. Schuljahres in einer Lerneinheit von 8 Lektionen zu KD und Verschwörungserzählungen. Die Einheit ist wiederum Teil eines sprachsensibel konzipierten Fokusthemas «Geschichte – Geschichten – Erzählungen – Narrative». Dem Spiel voraus gehen in der Lerneinheit zwei Selbsttests für kognitive Verzerrungen, eine Einführung in die Teilbereiche des KD anhand des Tempels der Athena sowie ein Überblick über die häufigsten logischen Fehlschlüsse und kognitiven Verzerrungen (gemäss Forum für KD 2022).
Das Spiel selbst dauert mit Nachbereitung eine Doppellektion und thematisiert Kulturelle Aneignung. Unter weiteren Fragen wird auch folgende gestellt: Darf in einer Schweizer Satiresendung im Jahr 2024 die Figur eines Inders mit Brownfacing und ausgeprägtem Indian English vorkommen? In einer Klasse positionieren sich nur zwei Schüler auf der Ja-Seite. Eine Schülerin auf der Nein-Seite fragt einen der beiden Schüler nach der Begründung, dieser antwortet: «Ich habe mich gefragt, ob ich mich als Schweizer daran stören würde, wenn ein indischer Schauspieler im indischen Fernsehen mit Whitefacing und Swiss English auftreten würde.» Die Lehrperson macht das Time-out-Zeichen und fragt in die Runde, ob der Vergleich angemessen sei. Während eine Schülerin anmerkt, der Vergleich habe sie überzeugt, und die Seite wechselt, gibt der erwähnte Schüler selbstkritisch zu bedenken, dass der Vergleich ob der fehlenden kolonialen Geschichte der Schweiz nicht statthaft sei, und wechselt seinerseits die Seite. Dieser Gesprächsausschnitt zeigt die Vorteile des Positionierungsspiels gegenüber einer klassischen Debatte: Argumente und Gegenargumente werden nur angespielt, Positionen und Argumente dürfen gewechselt werden und können dabei immer wieder reflektiert werden. Eine kohärente Gesamtsicht unterschiedlicher Perspektiven entsteht. Wird das Positionierungsspiel in einer Klasse mehrfach eingesetzt, erlangt die Gruppe Sicherheit im Ausprobieren von Entscheidungen und in deren Begründung. Die Lernenden pausieren die Diskussion selbstständig, wenn sie eine bestimmte Argumentationsweise reflektieren möchten. Je stärker die Lehrperson sich in diesem Setting zurücknehmen kann, umso besser werden die Bedingungen der Möglichkeit, KD im schulischen Kontext zu fördern, unabhängig von dem, was die Lehrperson denkt oder sagt
Nach dem Anspielen unterschiedlicher Themenfragen im Positionierungsspiel und der metakognitiven Reflexion ausgewählter Begründungen erstellte die Klasse in Gruppenarbeit auf der Grundlage des erlebten Positionierungsspiels ein Cluster zum Thema Kulturelle Aneignung und formuliert im Anschluss Fragen an eine Expertin. So wird eine Erwartungshaltung für das gemeinsame Anhören eines Experteninterviews geschaffen. Im erwähnten Beispiel hörte die Gruppe ein Interview mit Harald Fischer-Tiné (ETH Zürich). Das wenige Minuten lange Interview bietet eine präzise Begriffsklärung im Sinne des KD. Die Lerngruppe ergänzte die Wortsammlung mit Einträgen aus dem Interview und erweitert sie mit einer Phrasensammlung (https://methodenpoolapp.de//pdfs/WortPhrasensammlungKorr.pdf). Diese dient als Erinnerungs- und Formulierungshilfe bei der kurzen schriftlichen Beantwortung einer Frage nach Wahl aus dem Positionierungsspiel. Ihre Antwort verglichen die Lernenden danach mit einer KI-generierten und validierten diese in der Gruppe kriterienbasiert. In der Evaluation der Lerneinheit fand das Spiel den grössten Zuspruch.
Kritisches Denken tut not in der heutigen Zeit. Indes scheint die Entschleunigung, Beharrlichkeit und Mühsal dieses Denkstils aus der Zeit gefallen.
Im Deutschunterricht (und in anderen Fächern) wird immer dann KD geübt, wenn beim Lesen, Schreiben, Reden und Hören der Verstehensprozess verlangsamt und eine Distanznahme zum eigenen Denken möglich wird, wenn Lesarten und Verstehensweisen geteilt sowie diskursiv erörtert, Begründungsverhältnisse ausgelotet und Wahrheitsansprüche ganzheitlich beurteilt werden. Das Zusammenspiel zahlreicher Teilkompetenzen formt KD als Denkstil. Diese Teilkompetenzen lassen sich einzeln im Fachunterricht üben. Die Förderung sollte möglichst früh erfolgen (Abrami et al. 2015 bzw. Cursio und Jahn 2021, S. 113), spätestens im 9. Schuljahr. Voraussetzung dafür ist eine Einführung in KD als metakognitive Fähigkeit, als Denkstil des beharrlichen und langsamen Denkens. Das Modell des Athena-Tempels kann dabei als Orientierung dienen.
Kritisches Denken tut not in der heutigen Zeit. Indes scheint die Entschleunigung, Beharrlichkeit und Mühsal dieses Denkstils aus der Zeit gefallen. Das Unzeitgemässe zu wagen, danken uns die Lernenden, wie folgende Aussage aus der Evaluation des Unterrichts zeigt: «Superspannendes Thema, ich hätte es gerne früher gehabt. Oft hat man im Unterricht das Gefühl, die absolute Wahrheit präsentiert zu bekommen».